Wir, das Forum Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*-Gruppen, fordern ein Denkmal für ein angemessenes Gedenken zur Ausgrenzung und Verfolgung von Lesben, Schwulen und Trans* in Düsseldorf. Die Notwendigkeit eines solchen Gedenkens haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihrer Kooperationsvereinbarung für Düsseldorf 2014-2020 erkannt. Als Teil der Stadtgesellschaft wollen wir gemeinsam mit der Politik die Forderung nach einem Denkmal umsetzen und mitgestalten. Wir wollen daran erinnern, dass es seit über 150 Jahren Menschen und Vereinigungen in Düsseldorf gibt, die sich für eine offene und emanzipierte Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Verfolgung von Lesben, Schwulen und Trans* einsetzen.
Ein epochenübergreifendes Denkmal
Wir fordern ein Denkmal, das angemessen die singulären Besonderheiten der nationalsozialistischen Verfolgung, Unterdrückung und Gewalt gegen Lesben, Schwule und Trans* hervorhebt und diese als Opfergruppe in Düsseldorf benennt.
Beispielhaft verhaftete allein die Gestapo bis August 1938 etwa 400 Männer nach § 175 Reichstrafgesetzbuch. Damit war Düsseldorf die Stadt mit den meisten Festnahmen nach § 175 RStGB in ganz
Westdeutschland.
Wir fordern ein Denkmal, das zudem an die Verfolgung und Unterdrückung von sowie Gewalt gegen Lesben, Schwule und Trans* erinnert. Eine Beschränkung allein auf den Nationalsozialismus ist daher unzureichend und entspricht nicht der Verfolgungs- und Gewalterfahrung von Lesben, Schwulen und Trans* vor der Zeit des Nationalsozialismus und darüber hinaus bis in die Gegenwart.
Beispielhaft wurde der von den Nationalsozialisten 1935 verschärfte § 175 StGB, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern bestrafte, uneingeschränkt in die Bundesrepublik Deutschland übernommen und erst 1994 abgeschafft. Bis heute sind die grundgesetzwidrigen Urteile nach § 175 StGB nicht aufgehoben und die Opfer von Denunziation, Berufsverboten, Ermittlungsverfahren und Verurteilungen nicht entschädigt.
Beispielhaft wurde erst 1990 von der Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität als Krankheit gestrichen. Bis heute werden Trans* pathologisiert und mussten sich im Rahmen des Transsexuellengesetzes bis 2011 sterilisieren und bis 2008 scheiden lassen. Bis heute sind Konversions- und Reparativtherapien bei Lesben, Schwulen und Trans* nicht verboten und die Opfer medizinischer Gewalt nicht rehabilitiert und nicht entschädigt.
Ein Denkmal für alle Gruppen: Lesben, Schwule, Trans* und Bisexuelle
Wir fordern ein Denkmal, das angemessen an alle Gruppen lesben-, schwulen- und transfeindlicher Verfolgung, Unterdrückung und Gewalt erinnert. Neben der strafrechtlichen Verfolgung von
homosexuellen Männern bestand auch eine gesellschaftliche und nach der Zeit des Nationalsozialismus bestehende Verfolgung und Unterdrückung gegenüber Lesben und Trans*.
Beispielhaft ermöglichte es die gesellschaftliche Situation nach dem Zweiten Weltkrieg lesbischen Frauen getarnt „in Freundschaft“ zusammenzuleben. Die Qualität lesbenfeindlicher Verfolgung und Unterdrückung zeigt sich in dem faktisch als Verbot wirkenden Schweigen über Frauenpaare und dem Arrangement lesbischer Frauen. Heute wird dieser Teil der Geschichte von Lesben als die „lesbische Bewegung der Trümmerfrauen“ plakativ umschrieben.
Wir fordern ein Denkmal, das sich explizit für das Erinnern von lesbisch- und transfeindlicher Verfolgung, Unterdrückung und Gewalt in Geschichte und Gegenwart positioniert. Die Verfolgungsgeschichte von Lesben und Trans* ist anders als die Verfolgung von homosexuellen Männern nach § 175 StGB bis heute nicht aufgearbeitet. Hierin zeigt sich die bis heute anhaltende Qualität Lesben- und Transfeindlichkeit: in ihrer Unsichtbarkeit und im Vergessen.
Beispielhaft konnten Transfrauen mit sogenannten Transvestitenscheinen unter Umständen dem polizeilichen Einschreiten gegen „groben Unfug“ und „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ entgehen. Der Transvestitenschein ermöglichte als behördliche Genehmigung nach Vorlage eines befürwortenden Gutachtens das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts in der Öffentlichkeit. Der Transvestitenschein ist somit historischer Beleg für die bis heute andauernde und persönlichkeitsverletzende Abhängigkeit von Trans* gegenüber Gutachten und der Stigmatisierung des geschlechtsnonkonformen Verhaltens und Aussehens. Der Transvestitenschein war zeitgleich aber auch Teil lesbischer Adaptionsstrategien, um sich geschlechtsnonkonform verhalten zu dürfen und wenigstens zum Teil selbstbestimmt in männerdominierten Gesellschaftsverhältnissen leben zu können.
Ein Denkmal für individualisierte und kollektive Erinnerung
Wir fordern ein Denkmal, das angemessen Biografien von Lesben, Schwulen und Trans* sowie für die Selbstorganisation von Lesben, Schwulen und Trans* relevante Geschehnisse in einen historischen Zusammenhang stellt. Neben der Selbstorganisation ist der Umgang mit Subkulturen und Schutzräumen von Lesben, Schwulen und Trans* vor dem Hintergrund einer heteronormativen Gesellschaft Beleg für das gesellschaftliche Klima von Diskriminierung, Duldung und Entfaltung. Wir fordern ein Denkmal, das angemessen an die Verfolgung, Unterdrückung und Gewalt sowie das Verbot von Selbstorganisation von Lesben, Schwulen und Trans* erinnert.
Beispielhaft drohte Gastwirten Anfang der 1920er Jahre der Entzug der Schankkonzession, wenn sie Gruppen der Selbstorganisation Homosexueller wie den homosexuellen Bund für Menschenrechte in ihrem Lokal tagen ließen. Der damalige Polizeidezernent Dr. Haas erklärte, solange der § 175 bestehe, keine Ortsgruppe des Bundes für Menschenrechte in Düsseldorf dulden zu wollen. 1925 wurde ein Düsseldorfer Verbot von Homosexuellen-Zeitschriften nach Beschwerden des homosexuellen Bundes für Menschenrechte aufgehoben.
Beispielhaft wurden 1933 mit Erlass des Polizeipräsidenten von Düsseldorf viele der „vorhandenen verdächtigen Gaststätten“ geschlossen. Zeitgleich wurde die homosexuelle Presse in Düsseldorf verboten. Neben Zeitschriften für homosexuelle Männer wurde auch die Zeitschrift „Die Freundin“ für homosexuelle Frauen verboten.
Ein gelebtes und erlebtes Gedenken
Die Verfolgung und Unterdrückung von und Gewalt gegen Lesben, Schwule und Trans* sollten in einen breiteren Zusammenhang von Gedenken, Ritualen und Informations- und Schulveranstaltungen stehen. Auch müssen nicht nur die Leidensorte der verfolgten Menschen, sondern auch die Lebensorte näher betrachtet werden. Lesben, Schwule und Trans* können und müssen in ihrem Lebens- und Arbeitsumfeld dargestellt werden. So entsteht Empathie und Verständnis für sexuelle und geschlechtliche Identitäten, was wiederum Wege zum Gedenken eröffnet.